Veränderung: Altes geht und Neues kündigt sich an

Ich sitze hier in der für mich schönsten Landschaft und weine. Ich weine, weil mir eben klar geworden ist, dass es völlig egal ist, was ich tue, wenn ich es mit Liebe tue. 

Ich staune jeden Tag aufs Neue. Ich staune, weil ich auf einer neuen Heldenreise unterwegs bin. Ich spüre, wie sich ein neues „Wer bin ich?“ herausschält. Ich spüre die Kraft von Satchamama, der Schlange, die uns lehrt, die alte Haut abzustreifen. Nicht stückweise, sondern mit einem Mal. Das ist ein verdammt schutzloser Zustand: die alte Haut ist abgezogen und die neue noch ganz zart.

Staunen erfasst mich, wenn mein altes Ich mein neues Ich betrachtet.

Wer ist diese Frau, die mit ihren Pferden durch die Berge zieht, die eine innige Verbindung zu Mutter Erde lebt, die genährt wird von dem, was sich zeigt? Die mit offenem Herzen allem begegnet, was kommt? Wer ist sie?

Jetzt wird mir bewusst, wie sehr ich aus meiner alten Haut geschlüpft bin. Diese Häutung, diese Transformation wird mir jetzt bewusst.

Ich bin hergekommen, mit der Intention, Schamanen zu treffen. Jetzt weiß ich, das werde ich nicht, außer den Schamanen in meinen Pferden und in mir selbst. Es gibt hier kulturelle Aspekte, die ich nicht kannte. Ein Freund hat mich eingeweiht in die Geschichtsschreibung, die auch hier die Geschichte der Sieger ist. Mit etwas Glück arrangiert er ein Treffen mit einer Familie der „Ureinwohner“ dieser Region, den Tehuelche. Ich bin gespannt, ich bin offen.

Jeder Tag schenkt mir neue Begegnungen und neue Seelennahrung. Meine Vorstellung von Zeit verflüchtigt sich.

Es spielt keine Rolle, welcher Tag ist. Es ist heute, es ist jetzt.

Es ist der Augenblick, der mich ausfüllt und das Morgen vergessen lässt. Alles ist da und ich bin von purer Schönheit umgeben. Schönheit in Einfachheit. Alles ist überschaubar. Die Farben reduzieren sich auf Grün – und Brauntöne. Ab und an Schwarz und Weiß – Ziegen, Pferde. Gelbe Blüten. Ein oranger Schmetterling streift meinen Blick – er zieht vorüber. Alles andere bleibt. Steht still. Die Zeit scheint eingefroren. Auch die Geräusche sind überschaubar: eine Kuh, Ziegen und Pferde, der Wind, Wasser plätschert.

Alles reduziert aufs Wesentliche.

Auch ich.

Ich bin Frieden.

Ich bin Liebe.

Ich bin unendliche Dankbarkeit.

Ich bin dieser Augenblick.

Ich bin alles.

Ich bin nichts.

Das macht keinen Unterschied.

Aber auch der Raum löst sich auf. Wer bin ich, wo bin ich? Bin ich der Baum, der Vogel, das Gras? Eine Ahnung von Unendlichkeit erfasst mich. Ich begegne dem Heiligen. Um mich herum, in mir. Das Heilige im Alltäglichen…

Mein ursprüngliches Ziel verschwimmt, es ist nicht mehr wichtig. Es ist nicht mehr im Fokus.

Mein alter Freund Nino begleitet mich ein Stück. Er zeigt mir wundervolle Wege durch die Berge. Ausblicke auf die Vulkane Antucu und Velluda offenbaren sich. Wieder ist in mir dieses Staunen über die Schönheit.

„Du liebst die Berge, oder?“ der Gaucho grinst und mein strahlendes Gesicht beantwortet seine Frage.

„Wenn du im nächsten Jahr kommst, steigen wir dort hoch“.

Er zeigt auf eine Bergkette in südlicher Richtung und fügt wissend hinzu: „Von dort oben kannst du alles sehen.“ Nino lebt seit 38 Jahren jeden Sommer hier in den Bergen und kennt jeden Zipfel.

Alles, sagt er. Ich bin mir nicht sicher, wie umfassend sein ALLES ist. Ich weiß, dass sich für mich dort oben wieder eine neue Dimension öffnen wird. Dort sind wir allein mit dem Wind und den Kondoren. Ganz dicht dran an ihm, dem großen EINEN.

Jetzt reitet Nino mit mir zum „Gauchobüro“. Das ist ein Ort weit oben an einer Bergspitze, an dem ein Telefonsignal anliegt. Hier können die Verenadores, die Menschen, die den Sommer in den Bergen verbringen, mit ihren Familien Kontakt halten. Ich freue mich, denn ich will mit meinem Freund Zeit und Ort für ein Treffen vereinbaren.

Enttäuscht muss ich feststellen, dass meine Telefongesellschaft hier keine Signal vorbeischickt. Nur Claro funktioniert hier. Nino reicht mir sein altes Tastentelefon: „Hier, ruf an damit.“

Ich bin glücklich. Aufgeregt höre ich die Stimme des Mannes, der mich verzaubert hat. Ist das aufregend. Auf 2000 m üNN vereinbaren wir ein Date in drei Wochen.

Danach verabschiede ich mich von Nino und reite weiter nach Norden.

Ein neues Ziel zieht am Horizont auf. Zart, ungewohnt, fast scheu. Weil ich alles mit Liebe betrachte, kommt Liebe zu mir. Sie ist auf einer Ebene in mir präsent, die neu für mich ist. Ein Wünschen ohne Wollen. Ein Genießen ohne Festhalten. Ich lasse die Liebe frei. Sie ist ein Kind der Freiheit und Loslassen ihre Nahrung. Ein Los-lassen meiner Vorstellungen, ein Lassen, wie es ist oder sein soll.

„Gott hat unsere Wege sich kreuzen lassen,“ sagst du.

 Ich spüre das Besondere dieser ungewöhnlichen Verbindung. Nichts ist anders als vorher. Und doch ist alles anders.

Das Leben torpediert meine Wege, die ich gehen wollte, um Vorjahreserlebnisse zu reinszenieren. Es schickt mich auf neue Spuren und steckt Pflöcke in die Zukunft.

Ich bemerke es und nehme es zur Kenntnis. Wieder Staunen. Was hat es noch vor das Leben? Mein Leben?

Ich mache mich leer. Alles Alte verlässt meine Sinne.

Um Platz zu schaffen für das Neue.

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